Artikel veröffentlicht am: 17. Juni 2020

Macht Reichtum glücklich? Ein Blick in die Glücksforschung rund um den schnöden Mammon

„Geld macht glücklich“ oder „Geld allein macht nicht glücklich“ Was denn nun – geht mit steigendem Reichtum auch ein Zuwachs an Glück einher oder nicht? Die Binsenweisheiten scheinen sich dahingehend nicht einig zu sein.

In der Wissenschaft hat sich längst ein ganzer Forschungszweig etabliert, um dieser jahrhundertealten Frage auf den Grund zu gehen. Wir haben uns den aktuellen Stand der Glücksforschung genauer angeschaut.

Die Anfänge der Glücksforschung

Der Anfang der Forschungen geht auf einen Amerikaner namens Richard Easterlin zurück. Im Jahr 1974 begann er mithilfe einer länderübergreifenden Metaanalyse den Zusammenhang von materiellem Wohlstand und Zufriedenheit im Leben zu ermitteln. Das Ergebnis: In jedem Land besteht eine Korrelation zwischen Einkommen und Zufriedenheit, allerdings auch nur da.

In einem Ländervergleich konnte Easterlin nicht nachweisen, dass reiche Länder glücklicher sind als ärmere. Mit dieser Erkenntnis stellte der Forscher die Wissenschaft komplett auf den Kopf, war bis dato klar, dass reiche Menschen immer auch die glücklicheren sein müssen.

Top 30 der glücklichsten und unglücklichsten Länder der Welt (World Happiness Report 2015)

1. Dänemark 127. Sierra Leone
2. Norwegen 128. Armenien
3. Schweiz 129. Kongo (Brazzaville)
4. Niederlande 130. Ägypten
5. Schweden 131. Burkina Faso
6. Kanada 132. Mali
7. Finnland 133. Liberia
8. Österreich 134. Georgien
9. Island 135. Nepal
10. Australien 136. Niger
11. Israel 137. Sri Lanka
12. Costa Rica 138. Gabun
13. Neuseeland 139. Malawi
14. Vereinigte Arabische Emirate 140. Kambodscha
15. Panama 141. Tschad
16. Mexiko 142. Jemen
17. USA 143. Afghanistan
18. Irland 144. Bulgarien
19. Luxemburg 145. Botswana
20. Venezuela 146. Madagaskar
21. Belgien 147. Senegal
22. Großbritannien 148. Syrien
23. Oman 149. Komoren
24. Brasilien 150. Guinea
25. Frankreich 151. Tansania
26. Deutschland 152. Ruanda
27. Qatar 153. Burundi
28. Chile 154. Zentralafrika
29. Argentinien 155. Benin
30. Singapur 156. Togo

Relevant ist bei dieser Erkenntnis das Wohlstands-Paradox: Ab eines objektiv nicht gerade hohen Einkommensniveaus steigt das subjektiv empfundene Glück kaum mehr an. Stefan Poppelreuter, ehemals bei der Universität Bonn, hat vor einigen Jahren ermittelt, dass diese Schwelle in Deutschland bei einem Monatseinkommen von 2.500 Euro liegt.

Studien haben dabei außerdem ergeben, dass bei einem Sprung von einem unterdurchschnittlichen Jahreseinkommen von 15.000 € auf 30.000 € ein sehr starker Glückszuwachs zu verzeichnen ist, und auch bei einem Sprung zu 60.000 € das Glück nochmals ansteigt.

Doch irgendwo zwischen 80.000 und 100.000 € nimmt der Grenznutzen ab, die Korrelation zwischen Einkommen und Glück geht verloren.

Auch die Glücksforscherin und Persönlichkeitspsychologin Professor Maike Luhmann verweist darauf, dass es reichen Menschen besser geht als armen. Mit einer nicht unwichtigen Einschränkung: Der Mensch gewöhnt sich an Geld, bald schon tritt ein Gewöhnungseffekt ein.

Die eigenen Ansprüche werden dem Materiellen angepasst, die anfangs überschwängliche Freude über die Gehaltserhöhung lässt schon bald nach.

Geld macht doch glücklich – oder?

Jeder kennt das Glücksgefühl, wenn man lange auf etwas hingespart hat oder man sich durch einen unerwarteten Geldsegen einen Wunsch erfüllen kann, sich mal etwas außer der Reihe gönnt. begründen lässt sich das ganz einfach: kaufen wir uns etwas, sprechen wir damit das Belohnungssystem im Gehirn an.

Die Folge: Das Gehirn schüttet das Glückshormon Dopamin aus. Ein Vorgang, der durchaus Suchtpotenzial hat, zumal der Glücksmoment nur begrenzt anhält. Der Begriff des Kaufrausches kommt nicht von ungefähr.

Der Glückszustand hält nur kurz an. Befragungen von Lotto-Millionären konnten zeigen, dass diese die positiven Auswirkungen auf das Glücksgefühl im Vorfeld signifikant überschätzen. Zwar steigt mit dem Lottosechser das Glücksgefühl zunächst stark an, doch tritt auch hier schnell ein Gewöhnungseffekt an das neue Leben ein.

Wer sein Geld für ein langfristiges Wohlbefinden einsetzen möchte, sollte laut Luhmann eher gemeinsam essen gehen, als sich materielle Dinge wie Schuhe oder Schmuck zu leisten. Gemeinsame Ereignisse stärken nicht nur die soziale Beziehung zu Partner oder Freunden, sondern bieten zudem ein Erlebnis, an das man sich lange erinnern kann.

Sozialer Vergleich und Überlegenheit

Bei der neuen Anschaffung eines Smartphones, das gerade erst auf den Markt kam, eines schicken Autos oder der teuren Uhr geht es jedoch noch um etwas anderes: Der Mensch strebt immer wieder nach einem sozialen Vergleich. Das haben unter anderem Hirnforscher der Universität Bonn in einer experimentellen Studie ermittelt.

Probanden traten dazu mit Schätzaufgaben gegeneinander an, jedem wurde mitgeteilt, wie man selbst und das Gegenüber abgeschnitten hat. Ein richtiger Tipp wurde darüber hinaus mit einem Geldbetrag belohnt. Der während des Versuchs durchgeführte Hirnscan wies nach, dass das Belohnungssystem jenen stärker anspricht, der selbst mehr Geld als ein Mitspieler erhält.

Dieses Ergebnis bestätigen die amerikanischen Forscher Glenn Firebaugh und Laura Tach, die für ihre Studie (2010) rund 23.000 Daten auswerteten. Das Ergebnis: Es ist wichtig, besser als andere dazustehen. Wer mehr verdient als ein Konkurrent ist zufriedener, der Wunsch nach sozialer Überlegenheit ist durchweg ausgeprägt.

So hat eine Studie an der Harvard University ergeben, dass Studenten lieber 50.000 USD verdienen würden, wenn alle um sie herum 25.000 USD verdienen als 100.000 USD, wenn das Umfeld bei 250.000 USD liegt.

Die Auswirkungen auf Körper und Geist

Immer wieder versuchen Studien, einen Zusammenhang von Reichtum und Verhaltensweisen herzustellen. Die US-Sozialpsychologin Kathleen Vohs will beispielsweise bei reichen Menschen eine geringere Kooperationsbereitschaft und Hilfsbereitschaft ausgemacht haben, andere Untersuchungen attestieren den Wohlhabenden eine größere Portion Egoismus und asozialeres Verhalten.

Das kann Maike Luhmann nicht bestätigen. Vielmehr verweist die Forscherin auf die positiven Effekte in Form von körperlicher und psychischer Gesundheit, die bei wohlhabenden Menschen zu einem durchschnittlich längeren Leben führen.

Zurückführen lässt sich dies jedoch vor allem auf die finanziellen Ressourcen für eine gesunde Ernährung, Sportangebote und den Erhalt der Gesundheit, weniger auf die Zufriedenheit, die durch das Geld entsteht. Nachgewiesen ist außerdem, dass es langfristig etwas zufriedener macht, weil ein finanzielles Polster Sicherheit vermittelt.

Tatsächlich haben kanadische Psychologen um Kostadin Kushlev von der University of British Columbia außerdem herausgefunden, dass Geld zwar nicht glücklich, immerhin aber etwas weniger traurig macht. Nicht viel, aber messbar.

Das ist jedoch nicht gleichzusetzen mit Glück: Glück und Traurigkeit sind nicht zwei Seiten einer Medaille, wer nicht traurig ist, ist nicht zwangsläufig glücklich – und umgekehrt. Die Begründung der Autoren: „Der Vorteil eines hohen Einkommens liegt wohl eher im Abfedern negativer Gefühle als im Herausbeschwören positiver.“

Geld allein macht nicht glücklich

Doch gibt es weit mehr Faktoren, die das persönliche Glück beeinflussen. Dazu gehören das Gefühl von Freiheit und Selbstbestimmung, soziale Beziehungen, Freunde, Partner und eine Tätigkeit, die sinnvoll erscheint. Der Glücksatlas stellt zudem eine Korrelation von Toleranz und Zufriedenheit her.

Der Ökonom Bernd Raffelhüschen fasst dies unter den vier G Gesundheit, Geld, Gemeinschaft und die genetische Disposition zusammen, die gemeinsam zu Glück führen, wenn alle Faktoren vorhanden sind und sie in einem Gleichgewicht zueinander stehen.

Das Glück der Deutschen

Deutschland liegt im World Happiness Report 2015 lediglich auf Rang 26. Der Grund dafür: Neben dem absoluten Wohlstands-Level hängt Zufriedenheit von der Fairness der Wohlstandsverteilung ab.

Der Glücksatlas 2016, das Ergebnis einer Repräsentativbefragung, welche die Deutsche Post seit 2010 jährlich durchführt, attestiert den Deutschen: Sie sind glücklicher denn je, belegen innerhalb Europas den 9. Platz.

Fragen zu Familie, Arbeit und Gesundheit führten mit 7,11 von 10 möglichen Punkten zum Spitzenwert der bisher durchgeführten Erhebungen. Starke Unterschiede gibt es vor allem zwischen Ost und West:

2016 2015
Schleswig-Holstein 7,41 7,36
Niedersachsen 7,22 7,17
Hamburg 7,2 7,14
Bayern 7,2
7,22 (Franken)
7,07 (Bayern-Süd)
7,14 (Franken)
Hessen 7,2 7,13
Baden-Württemberg 7,18
7,21 (Baden)
7,12 (Württemberg)
7,22 Baden
Nordrhein-Westfalen 7,13 7,07 (Nordrhein Köln)
7,11 (Nordrhein Düsseldorf)
7,07 Westfalen
Rheinland-Pfalz 7,08 7,05
Saarland 7,08 7,05
Thüringen 6,94 6,80
Sachsen 6,88 6,82
Berlin 6,85 6,89
Brandenburg 6,80 6,76
Sachsen-Anhalt 6,78 6,69
Mecklenburg-Vorpommern 6,77 6,67
Bremen k. A. k. A.

Der Aufwärtstrend korreliert dabei mit einem allgemeinen Zuwachs in Europa. Das Schlusslicht bildet aktuell Griechenland, die glücklichsten Menschen leben in Dänemark.

Das eigene Glück maximieren

Die Finanzpsychologen Michael Norton und Elizabeth Dunn von der University of British Columbia fanden heraus, dass Menschen glücklicher sind, wenn sie einen kleinen Teil des Geldes für andere ausgeben und Freude verbreiten. Dabei kommt es viel weniger auf Preis und Größe des Geschenks, sondern die Auswahl an.

Schenken hebt am Ende des Tages auch die eigene Stimmung – besonders dann, wenn das Geschenk die Beziehung zum anderen fördert, oder wenn Geld als Spende in wohltätige Stiftungen fließt oder Almosen gegeben werden.

Positiv auf den seelischen Zustand wirkt sich außerdem ein direkter Zusammenhang von konkreter Leistung und konkreter Bezahlung aus. Wenn die Arbeit – um es mit den Worten Karl Marx‘ zu sagen – nicht entfremdet ist.

Zu diesem Ergebnis kam eine Studie der University of Toronto. Kein Wunder also, dass Selbstständige trotz unsicherer Auftragslage und hohem Arbeitspensum häufig glücklicher sind als Angestellte, die 9-to-5 in einem Büro arbeiten.

Wer im Übrigen aktiv nach finanziellen Zielen strebt, ist vergleichsweise unglücklicher als Menschen, deren Motivation intrinsisch ist, d. h. die Tätigkeit der Befriedigung eines grundlegenden menschlichen Bedürfnisses – Bindung, Selbstwirksamkeit / Kompetenzerleben oder Autonomie – folgt.

„Geld allein macht nicht glücklich, aber es ist besser, in einem Taxi zu weinen als in der Straßenbahn.“ (Marcel Reich-Ranicki)